Atemgifte |
Die Gefahr der Atemgifte ist nicht nur auf Brandeinsätze beschränkt.
Die Gefahr kann bei allen Einsätzen auftreten. Bei Atemgiften handelt
es sich um Stoffe oder Stoffgemische, die über die Atemwege oder über
die Haut (Resorption) in den Körper gelangen und dort eine schädigende
Wirkung hervorrufen.
Atemgifte können
in allen Aggregatzuständen, als Dämpfe, Gase oder Aerosole vorkommen.
Ihre unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften sind die Ursache dafür,
dass sie zum Teil leichter oder schwerer als Luft sowie sichtbar bzw. nicht
sichtbar sein können.
Einteilung der Atemgifte
Atemgifte können
in Atemgifte mit erstickender Wirkung, Atemgifte mit toxischer Wirkung und Atemgifte
mit aggressiver Wirkung eingeteilt werden. Die Einteilung erfolgt nach der Wirkung
auf den menschliche Organismus. Atemgifte und deren Wirkung auf den Organismus
aus den verschiedenen Gruppen können einzeln oder in Kombinationen auftreten.
Atemluft |
||
Gas |
Einatemluft |
Ausatemluft |
Stickstoff | 78 % |
78 % |
Edelgase | 1 % |
1 % |
Sauerstoff | 21 % |
17 % |
Kohlendioxid | 0,03 % |
4 % |
Atemgifte
mit erstickender Wirkung:
Diese Stoffe oder Stoffgemenge sind keine Gifte im eigentlichen Sinne. Sie besitzen
keine tox. oder aggressiven Eigenschaften. Ihre Wirkung beruht darauf, den Luftsauerstoff
unter eine für den Menschen gefährliche Grenze zu verdrängen.Sollte
der Sauerstoffgehalt der Umgebungsatmosphäre unter 17 % fallen kommt es
zur Sauerstoffmangelerscheinung. Schon nach ca. 3 min (Faustregel) können
bleibende Schädigungen am Organismus entstehen. Besonders gefährlich
ist in dieser Situation, das Sauerstoffmangel nicht mit Sinnesorganen festgestellt
werden kann. Nur durch einen speziellen Nachweis mit entsprechenden Nachweis
- oder Messgeräten kann festgestellt werden, ob der Sauerstoffanteil zu
hoch oder zu niedrig ist.
Wasserstoff (H2) |
Methan (CH4) |
Kohlendioxid (CO2) |
Edelgase (z.B. Argon) |
Stickstoff ( N2) |
Atemgifte
mit toxischer Wirkung
Die Stoffe oder Stoffverbindungen aus dieser Gruppe wirken vorwiegend schädigend
auf Blut und Nervenzellen. Sie greifen auf unterschiedliche Weise menschliche
Organe oder deren Stoffwechselvorgänge an. Im Gegensatz zu den Atemgiften
mit erstickender Wirkung, können diese Stoffe über die Atemwege, den
Verdauungstrakt und über die Haut(Hautresorptiv) aufgenommen werden. Diese
Atemgifte, die auch BNZ- Atemgifte(Blut, Nerven, Zellen) genannt werden, treten
einzeln oder in Kombinationen bei Bränden, in Kanalisationen oder bei GSG
Einsätzen auf. Sie sind nur zum Teil durch Sinnesorgane wahrnehmbar bzw.
ihre Geruchsschwelle liegt überhalb der TKZ - Werte.
BNZ Atemgifte:
Kohlenmonoxid:
Bei unvollständigen Verbrennungen
(Schwelbrände oder Brände bei Sauerstoffmangel) entsteht Kohlenmonoxid.
CO ist geruchs-, farb- sowie geschmacklos. Das Molekulargewicht liegt unterhalb
der Luft. Gelangt CO in die Lunge wird es durch die roten Blutkörperchen
250 mal leichter aufgenommen als Sauerstoff. Je nach Menge des aufgenommenen
CO verringert sich der Sauerstofftransport zu den Zellen des menschlichen Organismus.
Man spricht vom „inneren Ersticken“. Hinzu kommt, dass sich der
Abbau des aufgenommenen CO aus den Organismus sehr langsam vollzieht. In 4 Stunden
kann durchschnittlich nur 50 - 60 % des aufgenommenen CO abgebaut werden. Eine
weitere Gefahr durch das CO besteht durch seine Brennbarkeit. Durch sein großen
Zündbereich (12 - 75 Vol%) kann es jederzeit zu einer, je nach Konzentration
mehr oder weniger heftigen, Entzündung kommen.
Symptome einer CO - Vergiftung
CO - Konzentration in Vol% | Symptome |
0,005 | keine Gesundheitsgefährdung zu erwarten |
0,01 | nach mehreren Stunden leichte Kopfschmerzen |
0,05 | nach mehreren Stunden starke Kopfschmerzen, Schwindel und Ohnmachtneigungen |
0,1 - 0,2 | Tod nach 30 min |
0,3 - 0,5 | Tod nach weinigen Minuten durch Atemlähmung und Herzversagen |
Cyanwasserstoff HCN (Blausäure)
Cyanwasserstoff ist normalerweise
eine farblose Flüssigkeit, von der ein typischer Bittermandelgeruch ausgeht.
Doch auf Grund ihres niedrigen Siedepunktes (ca. 26 C°) entwickelt die Flüssigkeit
schon bei niedrigen Temperaturen Dämpfe. Der Flammpunkt von Cyanwasserstoff
liegt unter - 20 °C . Der Zündbereich liegt von 4 - 45 Vol%. Die Lösung
von Cyanwasserstoffdämpfen in Wasser bezeichnet man als Blausäure.
HCN ist ein sehr starkes Atemgift was neben den Atem- und Verdauungsorganen
auch über die Haut aufgenommen werden kann. Es wirkt unmittelbar in den
einzelnen Körperzellen, in dem es die Sauerstoffaufnahme für den Stoffwechsel
verhindert. Ähnlich wie bei CO kommt es zum inneren Ersticken. Cyanwasserstoff
tritt vorwiegend bei der Verbrennung stickstoffhaltigen Kunststoffen auf, die
in fast allen Wohn- und Industriebereichen verwendet werden.
Polychlorierte Biphenyle (PCB) und Dioxine
PCB ist eine wasserähnliche
Flüssigkeit die in Abhängigkeit vom Chlorgehalt dünn - zähflüssig
sein kann. Da diese Flüssigkeit sehr langsam verdunstet ist die akute Wirkung
als Atemgift sehr gering. Bei oraler Aufnahme der Flüssigkeit dagegen ist
mit einer starken Langzeitwirkung auf den menschlichen Organismus zu rechnen.
Aus diesem Grund dürfen PCB haltige Flüssigkeiten nur in geschlossenen
Systemen eingesetzt werden. Sollte jedoch das PCB erwärmt werden (200 -
1000 °C) kommt es zur Zersetzung dieses Stoffes. Dabei entstehen Dioxine
und Furane . Allerdings sind dies nur Sammelbezeichnung von mehr als 200 Einzelverbindungen.
Dioxine und Furane sind nicht wasserlöslich und lagern sich vor allem in
Ruß und Asche ab. Der giftigste Vertreter dieser Stoffe ist das sogenannte
2,3,7,8 Tetrachlordibenzodioxin. Dieses verursacht starke Gesundheitsschäden,
vor allem Leber und Hautschäden. Dioxine und Furane verursachen vor allem
Langzeitwirkungen. Akute Vergiftungserscheinung sind durch Dioxine und Furane
nicht zu erwarten.
Brandrauch
Der Brandrauch ist ein Stoffgemenge aus verschiedenen Stoffen und Stoffverbindungen. Die Zusammensetzung hängt von mehreren Faktoren ab. In erster Linie vom Brennmaterial sowie vom Sauerstoffgehalt der Umgebungsatmosphäre. Bei umfangreichen Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass bestimmte Stoffe und Stoffverbindungen häufig auftreten. Diese sind in der vfdb Richtlinie 10/03 „Schadstoffe bei Bränden“ als sogenannte Leitsubstanzen aufgezählt. Es handelt sich dabei um Kohlenmonoxid, Cyanwassertoff, Chlorwasserstoff, Formaldehyd. Dioxine und Furane können ebenfalls im Brandrauch auftreten. Allerdings nicht in den Konzentrationen wie bei einer PCB - Zersetzung.
Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) sind in höheren Konzentrationen als Dioxine und Furane ebenfalls im Brandrauch enthalten. Sie entstehen bei fast allen Bränden mit Rußbildung, gelten als stark krebserregend und sind nur schwer wieder auszuscheiden.
Die Wirkung des Brandrauches, bzw.
die darin enthaltenen Stoffe, auf den menschlichen Organismus ist sehr groß.
Es ist eine Tatsache, dass weitaus mehr Menschen durch den Brandrauch sterben
als durch Brandverletzungen. Trotz der immer mehr verwendeten Kunststoffe in
Haushalt und Industrie ist der CO Anteil im Brandrauch am gefährlichsten.
Bei einem Raum, in der Größe von 60 m³, kann bei einem Schwelbrand
von 500g Holz die Konzentration von CO über den ETW liegen. Dioxine und
Furane sowie PAK sind nicht immer im Brandrauch enthalten und besitzen keine
akute Wirkung. Sind aber bei der Aufnahme für Langzeit- und Spätfolgen
verantwortlich.
Aggressive Atemgifte
Diese Atemgifte reizen bzw. zerstören
die Schleimhäute der Atemwege und wirken zerstörend auf das Lungengewebe.
Durch die vorhandene Feuchtigkeit in den Atemorgane können Stoffe und Stoffverbindungen
mit aggressiver Wirkung ein Lungenödem verursachen. Je nach Konzentration
dieser Stoffe können bis zu akuten Symptomen sogar 1-2 Tage vergehen. Aus
diesem Grund sind alle EK, die ungeschützten Kontakt zu dieser Art von
Stoffen hatten, unter medizinische Kontrolle zu stellen.
Chlor (CL2)
Chlor ist ein stechend riechendes,
gelb/grünes Gas. Die Geruchsschwelle liegt weit unterhalb der ETW. Es ist
schwerer als Luft und nicht brennbar. Chlor ist ein sehr reaktionsfreudiger
Stoff der mit vielen Stoffen , zum Teil explosionsartig, eine Reaktion aufnimmt.
Chlor kann mit Wasser gebunden werden. Dabei entsteht sogenanntes Chlorwasser,
was wiederum bei Kontakt Metallen sich in Chlor und Wasserstoff zersetzen kann.
Das dabei entstehende Chlorknallgas ist sehr entzündlich.
Ammoniak (NH3)
Ammoniak ist ein farbloses, stechend
riechendes Gas. Es läßt sich zwar in einer bestimmten Konzentration
5 - 18 Vol% entzünden, brennt aber nicht selbstständig weiter. Ammoniak
ist leichter als Luft und kann mit Wasser gebunden werden. Dabei entsteht Salmiakgeist.
Nitrose Gase (NOx)
Nitrose Gase ist eine Sammelbezeichnung
von Stickstoff - Sauerstoffverbindungen. Das am häufigsten auftretende
Nitrose Gas ist das Stickstoffdioxid (NO2). Dabei handelt es sich um ein rotbraunes,
nicht brennbares Gas, was schwerer als Luft ist. Nitrose Gase entstehen in hohen
Konzentrationen bei der Verbrennung von Düngemitteln und bei Reaktionen
mit Salpetersäure. Sie lassen sich nur schwer mit Wasser niederschlagen.
Ein besonderes Merkmal dieser Gase ist ihre braune Färbung, anhand derer
sie leicht zu erkennen sind. Ihre Gefährlichkeit liegt darin, dass auch
nach der Aufnahme hoher Konzentrationen nur ein leichtes Reizgefühl entsteht.
Es kommt je nach Konzentration zur Schädigung der Lunge in Verbindung mit
Lungenödem.
Säuredämpfe
Säuredämpfe entstehen vorwiegend
bei der Verbrennung von PVC. Sie können im allgemeinen leicht mit Wasser
gebunden werden und sind nicht brennbar. Sie können jedoch mit anderen
Stoffen reagieren und gefährliche Zersetzungsprodukte entwickeln. Ihre
schädliche Wirkung beruht vor allem auf der Reizung und Schädigung
der Atem - und Verdauungsorgane.
Stoffname | Formel |
Wirkung |
Brennbar |
T
Zünd |
Dichte |
Wasserstoff | H2 |
E |
ja |
560 |
0,07 |
Helium | He |
E |
nein |
- |
0,14 |
Methan |
CH4 |
E |
ja |
595 |
0,55 |
Ammoniak |
NH3 |
R |
ja |
630 |
0,6 |
Neon |
Ne |
E |
nein |
- |
0,7 |
Azetylen |
C2H2 |
B |
ja |
305 |
0,9 |
Cyanwasserstoff |
HCN |
B |
ja |
535 |
0,93 |
Stickstoff |
N2 |
E |
nein |
- |
0,97 |
Kohlenmonoxid |
CO |
B |
ja |
605 |
0,97 |
Formaldehyd |
CH2O |
R |
ja |
420 |
1,0 |
Schwefelwasserstoff |
H2S |
B |
ja |
270 |
1,2 |
Salzsäure |
HCL |
R |
nein |
- |
1,25 |
Kohlendioxid |
CO2 |
B |
nein |
- |
1,53 |
Nitrose
Gase |
Nox |
R/B |
nein |
- |
1,59 |
Salpetersäure |
HNO4 |
R |
nein |
- |
2,2 |
Schwefeldioxid |
SO2 |
R |
nein |
- |
2,3 |
Chlor | CL |
R |
nein |
- |
2,5 |
Schwefelkohlenstoff | CS2 |
B |
ja |
102 |
2,6 |
E: Atemgift mit erstickender Wirkung
B: Atemgift mit Wirkung auf Blut/Nerven/Zellen
R: Atemgifte mit Reizwirkung
Schutz vor Atemgifte
Einen 100 % igen Schutz vor Atemgiften kann es aus unterschiedlichen Gründen
nicht geben. Um den größtmöglichen Schutz vor Atemgiften zu
erreichen, müssen bestimmte Grundsätze eingehalten werden.
1. Grundsatz:
Solange wie bei einem Feuerwehreinsatz Atemgifte nicht ausgeschlossen werden
können, sind alle Maßnahmen unter dem größtmöglichen
Schutz durchzuführen.
2. Grundsatz:
Bei Verdacht auf Atemgifte muss mit geeigneten Mitteln die Qualität und
Quantität nachgewiesen werden.
3. Grundsatz:
Bei dem Auftreten von mehreren Atemgiften (Brandrauch) müssen die Leitsubstanzen
ermittelt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden.
Bei allen Einsätzen in Verbindung mit Atemgiften gilt der Pressluftatmer,
als umgebungsluftunabhängiges Atemschutzgerät, als Standart. Der Einsatz
von Filtergeräten kann nur in bestimmten Situationen, unter Beachtung folgender
Grundsätze erfolgen:
Grundsätze für Filtereinsatz:
Filter müssen für die auftretenden Atemgifte geeignet sein. |
Die Einsatzstelle muss übersichtlich (Blickkontakt) sein. |
Es darf keine starke Ruß- und Flockenbildung vorhanden sein. |
Sauerstoffanteil der Umgebungsatmosphäre darf nicht unter 21 Vol% liegen. |
Filtergrundsätze nach FwVD 7
Sollte nur einer dieser Grundsätze
nicht ermittelbar sein, ist ein Filtereinsatz ausgeschlossen!
In manchen Einsatzsituationen reicht der PA zum Schutz vor Atemgiften nicht
aus. Gerade bei Auftreten von aggressiven Atemgiften bzw. Stoffen, die über
die Haut aufgenommen werden können, muss der PA in Kombination eines CSA
getragen werden. Das Absichern der Einsatzstelle und die richtige Wahl der Taktik
ist ebenso ein Schutzmittel vor Atemgiften wie abschließende Hygienemaßnahmen.
Einsatzhygiene
Der Schutz vor Atemgiften und anderen gesundheitsgefährlichen Stoffen betrifft nicht nur den Einsatz selber. Auch bei abschließenden Maßnahmen am Einsatzort und im Gerätehaus ist ein Schutz vor Atemgiften und anderen Stoffen wichtig.
Kontaminierte Einsatzkleidung ist
so schnell wie möglich, möglichst noch am Einsatzort, zu wechseln.
Verwendete Gerätschaften müssen einer Erstdekontamination unterzogen
werden. Essen, Trinken und Rauchen sollte nicht an der unmittelbaren Einsatzstelle
erlaubt werden. Umfassend sind Hygienemaßnahmen in der vfdb Richtline
10/03 „Schadstoffe bei Bränden“ festgelegt